Jahresendbrief 2021

Von | 21. November 2021

Gräfelfing/München, im Dezember 2021

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freundinnen und Freunde!

In der Basilika Birnau, dem Kleinod am Bodensee, befindet sich eine prachtvolle Weihnachtskrippe mit dieser zentralen Szene: mit einem kostbar geschmückten, hohen Portikus, gegen den Himmel offen, jubilie­renden Engeln – darunter thronend gleich einer Königin Maria mit dem Jesuskind. Und rechts unten ein anbetender Birnauer Zister­ziensermönch. …

Was bewog den Künstler, die kurze Notiz des Lukasevan­geliums „und legte ihn in eine Krippe, denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge“ in dieser Weise darzu­stellen? Hinter aller Freude an Pracht und Details weist uns der Mönch auf die Tiefenbotschaft der Krippe: Sie kann gedeutet werden als szenische Darstellung des 700 Jahre alten Weihnachtsliedes „In dulci jubilo“ mit seinem Vers: „Eia, wärn wir da!“ Die Birnauer Krippe in ihrer Pracht wird so über die Jahrhunderte hinweg Symbol der Sehn­sucht von durch Not und Gefahr bedrängter Men­schen. Und zu­gleich Symbol der Hoffnung unseres christlichen Glaubens. –

Sehnsucht und Hoffnung – das sind auch die beiden Pole unseres Lebens am Jahresende 2021: Sehnsucht nach Nor­malisierung des Lebens und Hoffnung auf Überwindung der Pandemie. Wird es uns gelingen wie dem Bernauer Mönch, unsere Sehnsucht und Hoffnung auf das Geschehen zu setzen, das in der Krippe seinen Anfang nahm?

Sehnsucht und Hoffnung begleiteten unseren E.I.B.E. über das ganze Jahr hinweg: endlich die Freundinnen und Freunde wieder treffen und mit lieben Kolleginnen und Kollegen zusammen zu sein, um Fragen von Bildung und Erziehung zu diskutieren, die im Zeichen der Pandemie besondere Brisanz erhalten haben; sowie die Hoffnung auf Kontakte zu den großen Lehrerverbänden und zu den bildungspolitischen Sprechern der Parteien. Alle diese Pläne müssen wir auf das nächste Jahr verschieben, ebenso das bereits geplante Informationsgespräch mit der Fach­beraterin für den Evangelischen Religionsunterricht an den Gymnasien in Südbayern, Studiendirektorin Susanne Styrsky, über „Schule und Religionsunterricht im Zeichen der Pandemie“. Wir danken an dieser Stelle Frau Styrsky, dass Sie sich zur Verschiebung ihrer Veranstaltung auf Anfang 2022 bereit erklärt hat.

Trotz aller von der Pandemie erzwungenen Einschränkungen standen wir Sprecher des E.I.B.E. unter­einander in enger Verbindung und ungetrübter Freundschaft. Umso tiefer traf auch uns beide, Richard Schwemer und mich, der plötzliche Tod unseres lieben Freundes Tilman. Wir fühlen mit seiner Frau und seinen Kindern und wissen doch, dass wir sie in ihrem Leid nicht trösten können. Durch alles Leid hindurch wissen wir aber auch von der Hoffnung unseres christlichen Glaubens, von der der bewegende Trauergottesdienst in Landsberg getragen war, und die am Grab noch einmal aufleuchtete, als in wohl ungeplanter und dadurch besonders ergreifender Weise ein alter irischer Freund mit leiser Stimme den Spiritual „Swing Low, Sweet Chariot“ sang. – – –

Der Arbeitskreis Kirche und Schule arbeitete teils im „Homeoffice“, teils aber auch in einem katholischen Pfarrzentrum in München-Fürstenried, in dem uns Pater Dr.Birk einen pandemiesicheren Saal ermöglichen konnte. Das neue Projekt des Arbeitskreises trägt den Titel „Bildung heißt Aufbrechen“. Dabei geht es um tiefgreifende Veränderungen im Welt-Bild eines großen Teils der jungen Generation, für den das Votum des Leipziger Jugendlichen zutrifft, „Ich bin nicht religiös, ich bin normal“. Wie kann diese Horizontverengung „aufgebrochen“ werden? Die Pandemie legt schonungslos offen, wie schwach die Beziehung unserer Gesell­schaft zu Christentum und Kirche geworden ist. Umso dringender sind neue Überlegungen, wie Kirche undReligionslehrkräfte Kontakt zu den Jugendlichen verstärken bzw. neu herstellen können. Der Arbeitskreis befasst sich mit dieser Thematik und ist für alle Ideen und Anregungen hierzu dankbar (an die E-Mail-Adresse Helmut@anselm.name).

Der Rückblick auf das vergehende Jahr umfasst aber nicht nur sehr Trauriges und Problemanzeigen. Wirfreuen uns mit Dr. Gerhard Simon über seine Kontakte zu Prof. Dr. H.F.Rupp zu historischen Themen.Zum achten Mal hat Helga Müller-Bardorff im Werdenfelser Land einen „Orgelwanderweg“ organisiert, ein wunderbares Projekt, das am 10. Oktober stattgefunden hat, und bei dem vier Organisten in vier Kirchen geistliche Orgel-Werke gespielt haben.

Und ganz besonders freuen wir uns, dass die Evang.-Theol. Fakultät der Universität München Rudi A.Kitzmann die Ehrendoktorwürde verliehen hat. In einer eindrucksvollen Feier in der großen Aula wurden im Oktober Rudi A. Kitzmanns herausragende wissenschaftliche Arbeiten zum Protestantismus in München gewürdigt, nicht zuletzt zur Zeit des Nationalsozialismus und zur von vielen verkannten Rolle von Landesbischof Hans Meiser. Auch wir gratulieren R.Kitzmann ganz, ganz herzlich und wünschen ihm noch viele schaffensreiche Jahre!

Das Bild der Birnauer Krippe zeugt von Hoffnung. Wir wollen die Hoffnung im E.I.B.E. weitertragen, und wollen uns weiterhin aus evangelischer Perspektive aktiv zu Fragen, Problemen und Möglichkeiten von Erziehung und Bildung einbringen. Wir danken für alle Unterstützung durch die Landeskirche und vor allem Euch und Ihnen allen, die sie dem E.I.B.E. in diesem schwierigen Jahr die Treue gehalten haben. Und wir bitten und hoffen mit den Worten Dietrich Bonhoeffers „Behütet und geröstet wunderbar“ gemeinsam ins neue Jahr zu gehen.

Ein getrostes, gesegnetes Weihnachtsfest wünschen

Dr. Helmut Anselm und Richard Schwemer

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