Gewalt in den „heiligen Schriften“

Von | 13. Mai 2015

Dr. Helmut Anselm, 30.3.2015

Im gesellschaftlichen Gespräch kommen immer wieder geschichtliche und aktuelle Gewalttaten zur Sprache, und in vielen Fällen wird dabei die Ansicht geäußert, dass Religionen, speziell die monotheistischen Religionen, die Wurzel von Gewalt seien1.

Kann man sich dabei auf Heinrich Bedford-Strohm berufen, den Evangelischen Landesbischof von Bayern und Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)? Er schreibt: „Es lässt sich ja gar nicht bestreiten, dass in allen heiligen Schriften der drei großen monotheistischen Religionen Texte enthalten sind, in denen von Gewalt im Namen Gottes die Rede ist.“2

Dieser Satz soll im Folgenden im Blick auf Bibel und Koran überprüft werden.

1. Gewalt in der Bibel

Im Blick auf die Bibel ist grundsätzlich zwischen Altem und Neuem Testament zu differenzieren.

1.1 Gewalt im Alten Testament

Im Alten Testament ist zu unterscheiden zwischen Gewalt innerhalb des Gottes­volkes und Gewalt gegenüber Völkern und Menschen außerhalb des Gottesvolkes. Wer innerhalb des Alten Gottesvolkes gegenüber einem Mitbürger Gewalt ausübt, der begeht einen „»Bruch der Bundesverpflichtungen dem Bruder gegenüber« (Sigmund Mowinckel, Psalmenstudien, Kristiania I [1921], S.28) und muss ge­ächtet werden.“ Daraus folgt aus Konsequenz: „Gewalt ist legitim, sobald die Rechtsgemeinschaft sie zur Ahndung von Gesetzesübertretungen einsetzt“3, und diese Gewalt reicht bis zur Tötung eigener Kinder durch öffentliche Steinigung (5 Mos 21, 18ff.). Hintergrund für dieses Verhalten war nicht bloße Grausamkeit zwischen Menschen, sondern „die Belastung, die der Gemeinschaft dadurch vor Gott wider­fuhr, … denn nichts Geringeres als ihre ganze Kultfähigkeit war damit bedroht. Sie hatte deshalb ein vitales Interesse daran, daß die Ordnung wiederher­gestellt wurde.“ Das geschah in der Regel „entweder durch die Hinrichtung oder durch die Ausstoßung des Missetäters“4.

Im Außenverhältnis des Alten Gottesvolkes ist Gewalt „im kriegerischen Feind­verhältnis“ legitim. Von grundlegender Bedeutung ist hierbei, dass das Volk zu­mindest in seiner Frühzeit Gewalt nicht aus eigenem Ermessen ausübt. Es ist Jah­we, der in den Kriegen als der eigentlich Handelnde auftritt. Die Kriege sind des­halb ‚Heilige Kriege‘5. Jahwe gewährte bzw. gewährt in ihnen „seinem Volk in Notzeiten“ einen „kriegerischen Schutz“ … Das Mittel, dessen Jahwe sich dabei bediente, war das Charisma, dass er auf irgend einen der Männer Israels fallen ließ und das dann den Betreffenden in einem jähen Impuls sich zum Führer des Heer­bannes erheben ließ, wobei dann Jahwe selbst in den Kampf zog und durch das Wunder des Gottesschreckens die Feinde besiegte.“6

Aber auch in späterer Zeit des Alten Gottesvolkes ist kriegerische Gewalt ge­gen seine Feinde unbefragt legitim. Sie steht unter Jahwes Oberhohheit, deshalb ist ihm auch die Kriegsbeute zu übergeben. Dies geschieht in aller Grausamkeit durch den Bann (z.B. 1 Sam 15,33). Wer ihn nicht vollzieht, wird von Jahwe bestraft.

Beispielhaft hierfür ist das Verhalten von König Saul und die sich daraus ergebenden Folgen des Ungehorsams. 1.Sam 14/15: „Als Saul die Königsherrschaft über Israel erlangt hatte, kämpfte er gegen alle seine Feinde rings umher. … Und wo er sich hin wandte, da gewann er den Sieg. [14,47] … Es war aber der Krieg gegen die Philister schwer, solange Saul lebte. [14,52] … [Der Richter] Samuel sprach zu Saul: Der Herr hat mich gesandt, dass ich dich zum König salben sollte über sein Volk Israel; so höre nun auf die Worte des HERRN! [15,1] So spricht der HERR Zeba­oth: Ich habe bedacht, was Amalek Israel angetan und wie es ihm den Weg verlegt hat, als Israel aus Ägypten zog. [15,2] So zieh nun hin und schlag Amalek und vollstrecke den Bann an ihm und an allem, was es hat; verschone sie nicht, sondern töte Mann und Frau, Kinder und Säuglinge, Rinder und Schafe, Kamele und Esel. [15,3] … Aber Saul und das Volk verschonten … die besten Schafe und Rinder und das Mastvieh und die Lämmer und alles, was von Wert war, und sie wollten den Bann daran nicht vollstrecken [15,9] … Da geschah des HERRN Wort zu Samuel: Es reut mich, dass ich Saul zum König gemacht habe; denn er hat sich von mir abgewandt und meine Befehle nicht erfüllt. [15,11] … Da sprach Samuel zu ihm: Der HERR hat das Königtum Israels heute von dir gerissen und einem andern gegeben, der besser ist als du.“ [15,28]

Allerdings entwickelte sich nach und nach die Sehnsucht nach einem messiani­schen Friedensreich „in der letzten Zeit“. „Da werden sie ihre Schwerter zu Pflug­scharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.“ (Jes 2,1 bzw.4)

1.2 Gewalt im Neuen Testament

Im Neuen Testament sind zwei Linien zu erkennen, zunächst die der Briefe und Evangelien. Für die These, dass Jesus ein politischer Revolutionär war – so u.a. Josef Carmichael –, finden sich im Neuen Testament keine stichhaltigen Belege. Die drei hierzu angeführten Stellen in den Evangelien – auf die mitunter auch Moslems verweisen, um Gewalt im Christentum nachzuweisen – enthalten keiner­lei Aufforderung, Gewalt zu üben. Die Tempelreinigung ist eine einmalige Aktion des Gottessohnes und kein Gebot für die Jünger, es ihm nachzumachen (Mt 21). Das Wort Jesu, er sei nicht gekommen Frieden zu bringen, sondern das Schwert (Mt 10,34), soll den Ernst der Entscheidung für oder gegen Christus deutlich machen, damit ein Bildwort dafür, dass sich an seiner Gestalt die Menschen ent­zweien werden: Schwert ist hier „nicht das Kriegsschwert, sondern die Spaltung unter den Menschen“7. Das zeigt auch der Paralleltext im Lukasevangelium, V.12,34b-35a): „Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Denn ich bin gekommen, den Menschen zu entzweien mit seinem Vater und die Tochter mit ihrer Mutter“. Zur dritten Stelle: Das Wort an die Jünger, ein Schwert zu kaufen, dient ausschließlich dazu, die Passion Jesu im Extremfall zu erzwingen (Lk 22,36f.), damit Jesaia 53,12 erfüllt wird: „»Er ist zu den Übeltätern gerechnet worden.« Denn was von mir geschrieben ist, das wird vollendet“8.

Allerdings – und das ist die zweite Linie im Neuen Testament – ist in der Offen­barung des Johannes von Gewalt und Krieg die Rede. Die Kapitel 17 bis 20, spe­ziell die Verse 17,14 und 20,7ff. haben dabei zwar einen zeitgeschichtlichen Be­zug, aber es werden keine konkreten menschlichen Kämpfer genannt, und die Verse sind schon gar nicht Aufforderungen an die ersten Christen, selbst zum Schwert zu greifen. Es sind vielmehr endzeitliche Visionen in mythischen Bildern, in denen nicht Menschen, sondern göttliche Mächte am Werk sind9.

Nun erkennt das Neue Testament auch innerhalb der gegenwärtigen Wirklich­keit Gewalt an. Doch nur im Rahmen des staatlichen Gewaltmonopols zur Auf­rechterhaltung der öffentlichen und staatlichen Ordnung. Die Kernstelle hierzu ist Rö 13,1-7.

Dagegen ist im Blick auf die persönliche Lebensführung, auf Glaubensge­schwister, gegenüber Andersglaubenden und sogar gegenüber Feinden das Neue Testament durchdrungen vom Geist des Gewaltverzichts und der Friedfertigkeit. Konkret wird das in der Bergpredigt – Mt 5,9: „Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen“, 5,44: „Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch hassen“ –, sowie bei der Gefangennahme Jesu: Als einer der Jünger einem Soldaten das Ohr abschlägt, „sagt Jesus zu ihm: Stecke dein Schwert an seinen Ort! Denn wer das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert umkommen“ (Mt 26,52).

Blickt man auf die Bibel als Ganzes, dann zeigt sich eine Entwicklung des Verhältnisses zur Gewalt vom Alten zum Neuen Testament. An die Stelle des Kampfmotivs im Namen Jahwes im Alten Testament tritt das Liebens- und Lei­densmotiv im Namen Gottes im Neuen. Es zeigt sich grundlegend im Leben und Sterben seines Sohnes: „ … also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einge­borenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben“ (Joh 3,16) Und es zeigt sich, davon abgeleitet, im Gebot an die Jünger (Joh 13,34f.; Mt.5,5.39).

Damit stellt sich die Frage nach der Gültigkeit des Alten Testamentes. Die Frage war zu Beginn des 20. Jahrhunderts Gegenstand eines intensiven theologi­schen Streites.

Er wurde ausgelöst durch Adolf von Harnack, der 1920 die These aufstellte: „… das AT im zweiten Jahrhundert zu verwerfen, war ein Fehler, den die große Kirche mit Recht abgelehnt hat; es im 16. Jahrhundert beizubehalten, war ein Schicksal, dem sich der Reformation noch nicht zu entziehen vermochte; es aber seit dem 19. Jahrhundert als kanonische Urkunde im Protestantismus noch zu conservieren, ist die Folge einer religiösen und kirchlichen Lähmung.“10

Der Streit flammte in letzter Zeit wieder auf, als der Berliner Dogmatiker Notger Slenczka 2013 sich der Haltung A.v.Harnack anschloss, dass man aus dem Alten Testament nicht „»das Wesen des Christentums« erkennen könne“. „Mittler­weile spitzt sich die Auseinandersetzung Tag für Tag weiter zu.“ Im April 2015 „distanzierten sich fünf Professoren der Berliner Theologischen Fakultät öffent­lich von Slenczka. Seine Thesen zum AT seien »historisch nicht zutreffend und theologisch inakzeptabel«. Man werde »keine Zweifel daran lassen, dass das Alte Testament in gleicher Weise wie das Neue Testament Quelle und Norm der evan­gelischen Theologie ist und bleiben wird«“.11

Dieses Statement hat nicht zuletzt den Vorwurf eines protestantischen Antiju­daismus zum Hintergrund12 und sollte über den aktuellen Anlass hinaus durch das Urteil Martin Luthers über die Schriften des Neuen Testamentes ‚eingehegt‘ werden. Demnach müssen für Christen die Texte von Christus her und auf Chris­tus hin gelesen werden. Sie müssen sich an der zentralen Botschaft des Neuen Testamentes messen lassen, also daran, ob sie ‚Christum treiben‘13. Aus dieser Perspektive der Vorwurf ins Leere, die Heilige Schrift der Christen sei voller Grausamkeiten.

Geht der Weg der Bibel von Gewalt zu ihrer Einhegung durch Liebe, so zeigt sich im Koran eine entgegengesetzte Tendenz:

2. Gewalt im Koran14

Die Frage nach der Gewalt im Koran ist nicht einfach zu beantworten.

Zunächst wird im Islam generell anerkannt, dass der Koran als ganzer wört­liche Offenbarung Allahs ist, auch wenn sich manche Verse widersprechen15. „Er ist’s, der auf dich [Mohammed] herabsandte das Buch. In ihm sind evidente Verse, sie, die Mutter des Buches [der grundlegende Teil], und andere dunkle“(Sure 3:7). Dennoch stammen alle Verse von Allah, „»alles ist von unserm Herrn«“ (ebd.).

Gleichsam unterhalb dieser Grundaussage gilt generell: „Der Koran befiehlt eindeutig und unmissverständlich die Tötung von Ungläubigen. Und das nicht nur einmal, sondern viele Male. … Die arabische Wurzel qtl (»töten«) erscheint – mit allen Ableitungen – im Koran 187 Mal, davon 25 Mal im Imperativ. (Zum Ver­gleich: im hebräischen Alten Testament … kommt die entsprechende Wurzel qtl nur 4 Mal vor, die semantisch verwandte Wurzel rsh (»morden«) 46 Mal, aber nie als positiver Imperativ – nur negativ im Verbot »Du sollst nicht töten«.) Nicht alle Imperative im Koran sind Aufforderungen an die Gläubigen zur Tötung von Un­gläubigen, aber doch die überwiegende Mehrzahl; und auch in anderen gram­matischen Formen als dem Imperativ kann ein Gebot formuliert werden. Das Tö­tungsgebot erscheint im dritten Stamm, der die Bedeutung »gegenseitig töten, be­kämpfen, bekriegen« hat; oder im zweiten Stamm mit der Bedeutung »«hinmet­zeln«»; oder ganz einfach im ersten Stamm mit der Grundbedeutung »töten«.“16

Blickt man nun auf den Koran, so sind bei der Gewaltthematik mehrere Schichten zu unterscheiden:

2.1 Erste Schicht: Mekkanische – Medinensische Suren

Zunächst stößt man auf zwei Grundlinien. Die eine durchzieht die Mekkanischen Suren, die andere die Medinensischen.

Die Mekkanischen Suren – denen möglicherweise z.T. ein christliches Lek­tionar zu Grunde liegt17 – sind irenisch und ausgleichend, von Gewalt ist in ihnen im Großen und Ganzen nicht die Rede. Grund dafür ist wohl, dass Mohammed erwartete, die Juden und Christen würden sich seinem Glauben anschließen. Denn nach seinem Selbstverständnis war er der letzte Prophet des Abrahamischen [alttestamentlichen]Glaubens. Als sich Mohammeds Erwartungen nicht erfüllten, und sich ihm selbst sein eigener Stamm der Quraisch nicht anschloss, sondern an seinem Polytheismus festhielt, kam es zum Bruch. Der endgültigen Anstoß, Mekka zu verlassen, soll gewesen sein, dass die Quraisch im Sommer 622 den Plan zu Mohammeds Ermordung fassten und „Listen schmiedeten, um“ ihn „festzunehmen oder … zu ermorden oder … zu vertreiben“ (Sure 8:30).

Der Übergang von der ersten Grundlinie der Gewaltthematik zur zweiten wird markiert durch die Flucht Mohammeds von Mekka nach Medina im Jahr 622. Nun übernahm Mohammed neben der Rolle als Prophet die eines Machthabers und Kriegers. Von da an finden sich in den Suren zunehmende Gewaltelemente.

Dabei bildet der Kampf von Badr 624 wohl die eigentliche Scheidelinie. Be­reits vorher kam es zwischen Mohammeds Anhängern von Medina und den Mek­kanern zu mehreren kleineren Gefechten. Badr war der erste größere Zusammen­stoß der beiden rivalisierenden Gruppen. Mohammed führte einen Beutezug ge­gen eine aus Syrien zurückkehrende Karawane der Mekkaner an, als er von einer größeren mekkanischen Streitmacht überrascht wurde. Er konnte die Schlacht jedoch für sich entscheiden. Dazu Sure 3:123: „auch bei Badr half Euch Allah, als ihr verächtlich [unscheinbar] erschienet“.

Die Mekkaner konnten die Niederlage aus Handelsgründen nicht hinnehmen und griffen in der Folgezeit mehrmals Mohammeds Kämpfer an, allerdings ohne diese entscheidend zu besiegen. Als in einer großen Schlacht 627 Mohammed und seine Krieger die Oberhand über die Mekkaner gewannen, begannen Mohammeds Truppen als die Sieger, die Beute von den Mekkanern einzusammeln. Da verließ ein Gruppe von Bogenschützen Mohammeds ihre Stellung (hierzu Sure 3:152). Die Mekkaner nutzen das aus und siegten in blutigem Gemetzel. In Sure 3:140-160 findet sich eine lange Passage, in der diese Niederlage aus der Perspektive des islamischen Glaubens gedeutet wird.

Daraus als kleiner Einblick Vers 152 und 155: „Wahrlich, schon hatte Allah euch sein Versprechen gehalten, als ihr sie [die Mekkaner] mit seiner seiner Er­laubnis vernichtetet, bis daß ihr verzagtet und rebelliertet, nachdem Er euch hatte sehen lassen, was ihr wünschtet [die Beute] … Siehe, diejenigen von euch, welche am Tage des Zusammenstoßes der beiden Scharen den Rücken kehrten [flohen], der Satan nur machte sie straucheln für etwas von ihrem Tun. Aber wahrlich, nunmehr hat Allah ihnen vergeben; siehe, Allah ist verzeihend und milde.“

Interessant für den Umschlag von der Mekkanischen Irenik zur Medinenischen Gewaltorientierung ist Sure 5:32-33. Die Verse sind Teil der (Nach-)Erzählung von Kain und Abel, und nehmen einen jüdischen Spruch auf: „Aus diesem Grunde haben Wir den Kindern Israel verordnet, daß wer eine Seele ermordet, ohne daß er einen Mord oder eine Gewalttat im Lande begangen hat, soll sein wie einer, der die ganze Menschheit ermordet hat. Und wer einen am Leben erhält, soll sein, als hätte er die ganze Menschheit am Leben erhalten.“

Dann aber kommt der Umschlag: „Siehe, der Lohn derer, welche Allah und Seinen Gesandten befehden und Verderben auf der Erde betreiben, ist nur der, daß sie getötet oder gekreuzigt oder an Händen und Füßen wechselseitig verstümmelt oder aus dem Lande vertrieben werden. Das ist ihr Lohn hienieden, und im Jen­seits wird ihnen schmerzliche Strafe“18. Denn die Regeln der Humanität gelten nur für die Gläubigen, wenn Ungläubige gläubig werden,auch für sie (Sure 2:192; 9:5u.ö.) –

Nahezu alle von Gewalt handelnden Verse des Korans sind auf dem Hinter­grund der kriegerischen Ereignisse nach 622 bzw. der Folgejahre heraus zu lesen, wobei die Reihung der Aussagen nicht chronologisch ist, da die Suren im Koran ihrer Länge nach angeordnet sind. Die wohl wichtigsten sind:

  • Sure 2:116 : Vorgeschrieben ist Euch der Kampf [gegen die Ungläubigen].
  • Sure 2:190f.: Und bekämpft sie in Allahs Pfad, wer euch bekämpft; doch übertretet nicht [fangt nicht selbst an] … (191) Und erschlagt sie, wo immer ihr auf sie stoßt, von wannen sie euch vertrieben; denn Verführung ist schlimmer als Totschlag … Greifen sie euch jedoch an, dann schlagt sie tot…“
  • Sure 4:34: „… Die rechtschaffenen Frauen sind gehorsam und sorgsam in der Abwesenheit (ihrer Gatten), wie Allah für sie sorgte. Diejenigen aber, für deren Widerspenstigkeit ihr fürchtet – warne sie, verbannt sie in die Schlafgemächer und schlagt sie.“
  • Sure 4:89-91: Andersglaubende „wünschen, daß ihr ungläubig werdet, wie sie ungläubig sind, und daß ihr (ihnen) gleich seid. Nehmet aber keinen von ihnen zum Freund … Und so sie den Rücken kehren, so ergreifet sie und schlagt sie tot, wo immer ihr sie findet; und nehmen keinen von ihnen als Freund oder Helfer: [90] Außer denen, die zu einem Volke kommen, mit dem ihr ein Bündnis habt, oder zu euch kommen, dieweil ihre Brüste beklommen sind [weil sie ihm Herzen davor zurückschrecken], wider euch zu kämpfen … Wenn sie jedoch von euch scheiden, ohne euch zu bekämpfen, und euch Frieden anbieten, so gibt euch Allah keinen Weg wider sie [dann hat Allah euch keinen Kampf gegen sie erlaubt]“. [91] Im andern Fall aber „nehmet sie und schlagt sie tot wo immer ihr auf sie stoßet. Und über sie haben Wir euch offenkundige Macht gegeben.“
  • Sure 8:11-13: „(Gedenke,) als euch [vor der Schlacht von Badr] Schlaf überkam als eine Sicherheit von Ihm und Er vom Himmel Wasser auf euch hinabsandte, um euch damit zu reinigen und euch von der Befleckung des Satans zu befreien und eure Herzen zu gürten und die Füße damit zu festigen; (12) Als dein Herr den Engeln offenbarte: »Ich bin mit euch, festigt drum die Gläubigen. Wahrlich in die Herzen der Ungläubigen werfe Ich Schrecken. So haut ein auf ihre Hälse und haut ihnen jeden Finger ab.« (13) Solches, darum dass sie gegen Allah und Seinen Gesandten widerspenstig waren. …“.
  • Sure 8:39: „Und kämpfet wieder sie [die Ungläubigen], bis kein Bürgerkrieg mehr ist und bis allesamt Allah glaubt. Stehen sie ab, siehe, so sieht Allah ihr Tun“.
  • Sure 9:5: „Sind aber die heiligen Monate verflossen, so erschlaget die Götzendiener, wo ihr sie findet, packet sie und belagert sie, und lauert ihnen in jedem Hinterhalt auf.“
  • Sure 9:29: „Kämpfet wider jene von denen, welchen die Schrift gegeben war [Juden und Christen], die nicht glauben an Allah und an den Jüngsten Tag und nicht verwehren, was Allah und Sein Gesandter verwehrt haben, und nicht bekennen das Bekenntnis der Wahrheit…“.
  • Sure 33:60f.: „Wahrlich, wenn die Heuchler und diejenigen, in deren Herzen Krankheit ist, und die Aufwiegler in Medina nicht aufhören, so werden Wir dich gegen sie anspornen. Als dann sollen sie nicht darinnen als deine Nachbarn wohnen, es sei denn nur für kurze Zeit. [61] Verflucht, wo immer sie gefunden werden, sollen sie ergriffen und niedergemetzelt werden.“
  • Sure 47:4: „Und wenn ihr die Ungläubigen trefft, dann herunter mit dem Haupt, bis ihr ein Gemetzel unter ihnen angerichtet habt; dann schnüret die Bande.“ [Der Vers bezieht sich auf die Schlacht von Badr 624, die Bande ist vermutlich die Beute]

2.2 Zweite Schicht: Transhistorische Wahrheit und historische Wahrheiten

Die erste Schicht der Gewaltaussagen wird überlagert von einer zweiten.

Generell steht für Muslime auch im Blick auf diese Schicht fest, dass alle Worte des Korans von Allah herabgesandt sind (Sure 2:2; 3:7). Max Henning weist aber schon 1960 darauf hin, dass in der innermuslimischen Diskussion zwischen nur für einen bestimmten Fall gültigen Wahrheiten und für ewig gültiger Wahrheit Allahs unterschieden wird19.

Es ist vor allem die Ankaraner Schule der Islamgelehrten, die seit dem 20.Jahrhundert diese Unterscheidung trifft. Demnach seien die Aussagen über Gewalt der zweiten zuzuzählen. Sie seien damit auf ihren historischen Kontext zu beziehen und historisch-kritisch nach ihrem „Sitz im Leben“ zu analysieren. Sie nähmen auf eine einmalige geschichtliche Situation Bezug und seien in ihrer Gültigkeit für heute erloschen. Für heute gelte nur noch die transhistorische Wahrheit „Islam ist Frieden“.

Diese Lesart des Korans ist freilich innerislamisch hoch umstritten. Einen exemplarischen Fall fasst der Freiburger Islamwissenschaftler Abdel-Hakim Ourghi zusammen: „Am 18. Januar 1985 wurde der sudanesische Mystiker Mahmud Taha im Alter von 75 Jahren vor Tausenden Zuschauern gehängt. Die Anklage des Obersten Gerichts des Sudan lautete »Apostasie«.“ Muslimische Gelehrte „beglückwünschten die Machthaber im Sudan zur Exekution des »Ketzers« und »Gottesfeindes«.

Tahe hatte es gewagt, in seinem Werk »Die zweite Botschaft des Islam« einen Teil der Korantextes zu kritisieren. Seines Erachtens gilt nur der in Mekka 610 bis 622 offenbarte Koran als zeitlos, weil er universal sinnstiftende Lehren im ethischen Sinne beinhaltet. Die von Muhammad als Staatsmann einer irdischen Gemeinde in Medina 622 bis 632 verkündeten Koranstellen seien hingegen nur im historischen Kontext zu begreifen.“20

Doch ist diese klare Grenzziehung möglich? So stammt der gegen Gewalt im Islam häufig angeführte Vers Sure 5:32 (… wer eine Seele ermordet, ohne daß er einen Mord oder eine Gewalttat im Lande begangen hat, soll sein wie einer, der die ganze Menschheit ermordet hat …) aus der Medinensischen Epoche. Das damit gegebene Problem könnte die dritte Unterscheidung auflösen.

2.3 Dritte Schicht: Unterscheidung von religiöser und (sozial)politischer Wahrheit

Diese Unterscheidung wird u.a. von dem Islamgelehrten Halis Albayrak (Ankara) vertreten. Er geht nicht von der Unterscheidung zwischen absoluter und historischer Wahrheit aus, sondern vom „historischen Zusammenhang“ der Koranverse. „Wenn wir jeden Vers so, das heißt: in seinem eigenen Kontext und in seinem existenziellen Bezugsrahmen lesen, können wir auch das Ziel des Wortes nachvollziehen.“ Dabei müsse zwischen dem religiösen und den politischen Bereich unterschieden werden. Beim ersten Bereich, dem des Glaubens „steht die freie Entscheidung des Individuums im Vordergrund,“ im zweiten, dem „der Politik [,] tun dies die Interessen der Instanzen, beispielsweise der Gesellschaft, der Nation oder des Staates. Wenn wir demnach im Koran eine Versgruppe politischen Inhalts lesen und dabei eine Versgruppe religiösen Inhalts herauszulesen versuchen, dann verwechseln wir grundlegende existenzielle Kategorien miteinander.“21

Die erste Versgruppe, die der religiösen Art, sei von uneingeschränkter individueller Freiheit bestimmt. „Folglich ist [so H.Albayrak] Zwang in der Religion nicht statthaft.“ Jeder Zwang in diesem Bereich sei eine „Missachtung der Menschenwürde, ja, ein Angriff auf sie“. Damit sei in diesem Bereich jede Art von Zwang, gar von Gewalt, absolut unstatthaft. Die dem Artikel H.Albayraks beigefügte Bildunterschrift lautet deshalb auch: „Der Prophet, der keine Vorschriften macht“. Deshalb sei auch im Islam „Religiöser Pluralismus … das Gesetz des gesellschaftlichen Lebens bzw. der Geschichte. „»Kein Zwang ist in der Religion.«“ (Sure 2:256). Die religiöse „Verschiedenartigkeit ist Gott gewollt!“ „Es gibt Freiheit bei der Wahl des Glaubens. Der ausdrucksstärkste Vers ist: »Siehe, wir leiten ihn auf den Weg, ob dankbar oder undankbar«“ (Sure 76:3). Zugleich gilt: Im Koran gibt es „keine Aussage, die eine juristische Maßnahme gegen diejenigen vorsieht, die den Islam verlassen, um einen anderen Glauben oder gar keinen Glauben anzunehmen. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die Abtrünnigen etwa getötet oder gefangen gesetzt werden sollen. Die unterschiedlichen Meinungen in der Scharia, dem islamischen Recht, bezüglich der Todesstrafe stützen sich nicht auf Koranverse, sondern auf »Hadithe«, uns bis heute überlieferte Worte Mohammeds.“

Allerdings: „Der Koran steht anderen Religionen und Weltanschauungen kri­tisch gegenüber, da er, theologisch gesehen, einen absoluten Wahrheitsanspruch erhebt.“ So „ruft er die Angehörigen anderer Religionen, besonders die der Buch Religionen wie Christentum und Judentum, dazu auf, seine Wahrheit anzuerkennen.“

Die zweite Versgruppe, diejenige der (sozial)politischen Art, „sind Verse politischen Inhalts, die uns von den politischen Konflikten jener Zeit erzählen. Der Grund, weshalb diese Verse Teil des Korans geworden sind, liegt bei Mohammed selbst. Er ist in Medina nicht nur Prophet Gottes, sondern auch Staatsvorsitzender.“ Auch diese Verse seien das Wort Allahs. Sie „sollten“ aber „zu einer krisengeschüttelten Zeit als eine für ihn [Mohammed] herabgesandte Unterstützung Gottes an Wissen und Strategie gelesen werden.“ „Dass Koranverse, die mitten im Kriegsgeschehen herabgesandt wurden, einen kämpferischen Charakter besitzen, ist da nur logisch. … Auch die junge muslimische Glaubensgemeinschaft, die damals um ihr Dasein kämpfte und sich unter den dort herrschenden Verhältnissen um ein Leben in Sicherheit bemühte, hatte ein Recht auf politischen Kampf. Und Koranauszüge zeigen uns, dass Mohammed, während er dieses Recht in Anspruch nahm, von Gott mit Weisheit und Wissen unterstützt wurde.“ Aber diese Verse, die von Allah „im Kontext akuter Kriegsgeschehen offenbart wurden,“ seien keinesfalls „Befehle zum Angriff auf die Religionsfreiheit“.22

Lässt sich das mit derartiger Eindeutigkeit sagen? Dem von H.Albayrak und mit ihm von faktisch allen Muslimen zitierte Vers von Sure 2:256 „Es sei kein Zwang im Glauben“ widersprechen u.a. andere Suren, so neben den bereits genannten Versen u.a. Sure 9:40f.: Gegen „das Wort der Ungläubigen“. [41] … eifert mit Gut und Blut in Allahs Weg.“

Die Auflösung dieses Widerspruchs ergibt sich aus einer vierten Schicht der Koranworte:

2.4 Unterscheidung zwischen den früheren und späteren Koranworten

Um die Widersprüchlichkeiten im Koran aufzulösen wurde das Prinzip des Nash, das Abrogationsprinzip, entwickelt. Demnach heben im Koran spätere Offenbarungen frühere auf. So kann der Grundsatz gewahrt werden, dass der Koran als Ganzes das ewig gültige Wort Allah darstellt23.

Grundlage sind Sure 16:101 und Sure 2:106: „Was Wir [Allah] auch an Versen aufheben oder in Vergessenheit bringen, Wir bringen bessere oder gleiche dafür“24. „Die muslimischen Gelehrten sahen diese beiden Verse als klaren Beweis dafür an, dass die Abrogation früherer Normen auf das Handeln“ Allahs „selbst zurückgeht, und stützten darauf die Lehre, dass bei widersprüchlichen Bestimmungen jeweils die jüngste die letztgültige ist“25.

Die „Entscheidung über die Aufhebung von bestimmten Versen durch andere setzt Kenntnisse über die Chronologie der Suren und Verse voraus. Das Wissen hierzu wurde im frühen 8. Jahrhundert gesammelt und schriftlich in eigenständigen Werken zu den Offenbarungsanlässen (Asbāb an-nuzūl) der verschiedenen Verse fixiert. … Besonders wichtig wurde die Lehre von der Abrogation hinsichtlich des Umgangs mit Nicht-Muslimen. Hier setzte sich schon ziemlich früh die Auffassung durch“, dass die Verse 9:5 („ … erschlaget die Götzendiener, wo ihr sie findet … “) und 9:29 („Kämpfet wider jene von denen, welchen die Schrift gegeben ward …“) „alle anderen Verse, die zu einem friedfertigen Verhalten gegenüber den Ungläubigen ermahnen (8:61; 29:46)26, aufgehoben habe.“27

Das Abrogationsprinzip wird allerdings unter den modernen islamischen Gelehrten teilweise eingeschränkt, mit der Begründung, Allah sage zu keiner Zeit etwas zu Abrogierendes (so u.a. Sure 6:34, 115, 18:27). Spätere Verse würden die früheren nicht aufheben, sondern nur präzisieren. Aus demselben Grund aber behalten auch die gewaltträchtigen Verse ihre Gültigkeit28.

3. Ergebnis und Ausblick

Generell gilt: Alle Aussagen zu Gewalt im Koran sind nach islamischer Lehre authentische Offenbarungen Allahs. „Unterhalb“ dieser Grundaussage zeigen die Aussagen des Korans ein sehr inhomogenes Bild.

Aus muslimischer Perspektive gesagt: Im Koran erweist sich Allah als ein lebendiger Herrscher, der immer und in jeder Hinsicht die Wahrheit offenbart und durch seine Rechtleitung seine Gläubigen durch die Vielspältigkeit der Zeit und der Lebensumstände fürsorglich begleitet. Unter diesem Vorzeichen befiehlt er teils Barmherzigkeit, teils Gewaltanwendung.

Aus nichtmuslimischer Perspektive gesagt: Die Aussagen des Korans zu Gewalt sind widersprüchlich, umstritten und lassen sich schwer mit der Vorstellung verbinden, es handle sich in allen Fällen um die reine Offenbarung Allahs. Sowohl muslimische Ireniker als auch – und stärker noch – Gewalttäter können sich auf den Koran berufen, wobei letztere daraus klare Aufforderungen zum Foltern und Töten Ungläubiger als Richtschnur ihres Handelns ableiten können.

Die zweite Linie setzte sich in den folgenden Jahrhunderten bis in die Gegenwart herein weithin durch. Islamischer Staat (IS), Al-Kaida, Boko Haram, Al-Shabaab (‚Die Jugend‘)29 stehen für Gräueltaten, speziell auch an Christen Sie nicht dem Islam insgesamt, sondern nur den ‚Islamisten‘ zuzurechnen, ist eine unzutreffende Beschönigung. Gewalthandlungen gibt es auch in der Mitte der muslimischen Gemeinschaft. So wurde der in Saudi-Arabien wegen Apostasie zu 1000 Peitschenhieben verurteilte Blogger Raif Badawi bei seiner ersten und öffentlichen Auspeitschung am 9.Januar 2015 „umringt von einer jubelnden Menschenmenge, die immerzu ‚Allahu Akbar‘ rief“30. So steht noch heute bzw. heute wieder im Sudan auf den Abfall vom Islam die Todesstrafe31.

Im Blick auf das Christentum zeigt seine Geschichte eine Vielzahl von Gewalthandlungen, angefangen vom berühmten Wort Augustins „cogite intrare“32 über die Folterungen von ‚Ketzern‘ über die weitgehende Ausrottung indigener Völker in Amerika33 bis hin zum ‚Gott mit uns‘-Koppelschloss deutscher Soldaten im Ersten Weltkrieg. Diese Gewalthandlungen dürfen nicht beschönigt werden. Sie sind aber – und das ist ein grundlegender Gegensatz zu den Medinensischen Suren des Islam – immer ein Verstoß gegen Prophetenworte des Alten Testamentes und gegen die Kernaussagen des Neuen Testamentes.

Ebenso wenig darf jedoch kleingeredet werden, dass sich die biblische Friedensbotschaft immer wieder in der Christentumsgeschichte durchgesetzt hat – bis herein in unsere Gegenwart, so besonders eindrücklich am Ende der DDR mit dem Leitwort „Schwerter zu Pflugscharen“.

1Alexander Kissler: Rezension von Peter Sloterdijk: Gottes Eifer. Vom Kampf der drei Monotheismen. Verlag der Weltreligionen Frankkfurt 2007, in: Südd.Zeitung – SZdigital – v.15.12.2007 http://www.buecher. de/shop/glaube/gottes-eifer/sloterdijk-pe­ter/products_products/detail/prod_id/22626479: Ein „eiferndes(n), auf Unterwerfung zielendes(n) Denken(s) … ist laut Sloterdijk (und Assmann) dem Eingottglauben einge­schrieben. Der personal gedachte Allerhöchste statuiere ein Untertänigkeitsverhältnis“. Das Alte Testament sei ein „monotheisti­scher(n) Geburtsfehler(s) …; am Berg Sinai sei »eine moralisch neue Qualität des Tötens erfunden« worden“. Näheres zum Thema: http://www.perlentaucher.de/essay/monotheismus-und-gewalt. Html#12 Essay, Jan Assmann: Essay am 29.1.2013 zu Rolf Schieder: Sind Religionen gefährlich?, Berlin 2008, zu: J.Assmann: Moses the Egyptian. Cambridge (Mass.) 1997; dt. Moses der Ägypter. Entzifferung einer Gedächtnisspur, München 1998, und zu Jan Assmann: Die Mosaische Unterscheidung oder Der Preis des Monotheismus, Mün­chen 2003: Monotheismus und Gewalt. „Mit dem Monotheismus entstand die Unter­scheidung von wahr und falsch in der Religion – und damit eine spezifische Form der Gewalt.“

2H.Bedford-Strohm: Erst beten und dann töten? Chrismon, Das evangelische Monatsmagazin 3/2015, S.12.

3Heinz-Horst Schrey: Art. Gewalt/Gewaltlosigkeit I, TRE de Gruyter Berlin Bd.13 1984, S.168-178, S.169.

4Gerhard von Rad: Theologie des Alten Testaments. Kaiser München Bd.1, 1958, S.263.

5H.-H.Schrey: Art. Gewalt/Gewaltlosigkeit I, S.169; exemplarisch für die Heiligen Kriege: 4.Mos 21 (Sieg über die Kanaaniter) 4.Mos 31 (Sieg über die Midianiter), Ri 7(Gideons Sieg über die Midianiter).

6G.v. Rad, Theologie des Alten Testaments Bd.1, S.305.

7Walter Grundmann: Das Evangelium nach Matthäus. Theol. Handkommentar zum NT 1. Evangelische Verlagsanstalt Berlin 6.Aufl. 1986, S.300.

8Zum Ganzen: H.-H.Schrey: Art. Gewalt/Gewaltlosigkeit I, S.169f.

9 H.-H.Schrey: Art. Gewalt/Gewaltlosigkeit I, S.170, ferner: August Strobel: Apokalypse des Johannes. TRE Bd. 3, de Gruyter Berlin 1978, S.174-189, S.179.

10A.v.Harnack: Marcion: Das Evangelium vom Fremden Gott. Eine Monographie zur Geschichte der Grundklegung der katholischen Kirche. Hinrich’sche Buchhandlung Leipzig (1920) 2.Aufl. 1924, S.217.

11Reinhard Bingener: Der Gott des Gemetzels. FAZ Nr.92 v.21.4.20ß15, S.4.

12R.Bingener, der Gott des Gemetzels, S.4: Aufgrund der Verbrechen des Nationalsozialismus „hat die Theologie … begonnen, ihre Traditionsbestände gründlich auf antijudaistische Denkfiguren zu durchleuchten. Die Bemühungen führten sogar dazu, dass christliche Exegeten heute häufig nicht mehr vom »Alten Tes­tament« sprechen, sondern stattdessen von der »hebräischen Bibel«. … Vor dem Hintergrund des christlich-jüdischen Dialogs“ spitzt N.Slenczka „seine These … noch einmal zu: Wenn die christlichen Exegeten heute fast einhellig der traditionellen Deutung widersprechen, das Alte Testament als Verheißung Christi zu inter­pretieren, dann sei damit nach 1945 ein weiteres Argument für dessen kanonische Geltung entfallen. Was ist dann am AT eigentlich noch spezifisch christlich, fragt Slenczka“. Ihm hat der hessische Pfarrer Friedhelm Pieper (Evangelischer Präsident des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit“) die „»Neuauflage des protestantischen Antijudaismus«“ vorgeworfen.

13„Darin stimmen alle rechtschaffenen Bücher überein, dass sie allesamt Christus predigen und treiben. Auch ist das der rechte Prüfstein, alle Bücher zu tadeln, wenn man sieht, ob sie Christum treiben oder nicht. Sintemal alle Schrift Christum zeiget und S. Paulus nichts denn Christum wissen will. Was Christum nicht lehret, das ist nicht apostolisch, wenns gleich S. Petrus oder Paulus leret. Widerum, was Christum prediget, das wäre apostolisch, wenns gleich Judas, Hannas,. Pilatus oder Herodes lehrt.” (Martin Luther in der “Vorrede auf die Epistel S Jacobi und Juede” (1546) in WA, DB VII 385; hier sprachlich geglättet, zitiert nach Clemens Hägele Was Christum treibet in: “ichthys” 30. Jahrgang Heft 2 (2014) S. 115-121, hier S. 116)

14Alle Zitate, wenn nicht anders angegeben, in: Der Koran. Aus dem Arabischen übersetzt von Max Henning. Einleitung und Anmerkungen von Annemarie Schimmel. Reclam Stuttgart 4006, Stuttgart 1960.

15Ein Beispiel sind die Aussagen zum Wein: Sure 16:67 (Allah gibt „die Palmen und Reben, von denen ihr berauschenden Trank und gute Speise habt“) – Sure 4:43 („Ihr, die ihr glaubt, nähert euch nicht trunken dem Gebet“, sondern wartet) – Sure 2:219 (Allah zu Mohammed: „Sie werden dich befragen nach dem Wein und dem Spiel. Sprich: »In beiden liegt große Sünde und Nutzen für die Menschen. Die Sünde in ihnen ist jedoch größer als der Nutzen.«“) – Sure 5:90 („der Wein“ ist „ein Gräuel von Satans“).

16René Marcus (aus Sicherheitsgründen Pseudonym, Professor an einer renommierten europäi­schen Universität): Islam: Das Buch der zwei Seiten. Die Weltwoche, Ausgabe 09/2006,Weltwo­che Online – www.weltwoche.ch.

17Vgl. Günter Lüling (1928-2014), ein deutscher Theologe, Staatswissenschaftler sowie promovierter Ara­bist und Islamwissenschaftler legte 1970 eine Rekonstruktion ausgewählter Koransuren als altchristliche poe­tische Strophen als Promotion vor. Sie wurde mit eximium opus bewertet, was der Annahme der Dissertation als Habilitationsschrift gleichkommt. (Wikipedia Lüling).

18R.Marcus, Islam: Das Buch der zwei Seiten: „Man zitiert heute gern Vers 5:32, wo es heisst:

»Wer eine Seele tötet, ohne dass [das Opfer seinerseits] eine Seele [getötet hätte] oder eine Gewalttat im Land begangen hätte, [das ist so] als hätte er die ganze Menschheit getötet; und wer sie am Leben erhält, [das ist so] als hätte er die ganze Menschheit am Leben erhalten.«

Also kurz gefasst: Wer eine Seele tötet, der tötet die ganze Menschheit. Ein wahrhaft erhabener Vers, würdig einem allgemeinen Menschheitsethos als Leitsatz voranzustehen. Allerdings währt die Freude nicht lange, denn unmittelbar im Anschluss daran heisst es:

»Der Lohn derer, die gegen Gott und seinen Gesandten in den Krieg ziehen und Verderbnis im Land verbrei­ten, ist, dass sie hingemetzelt werden oder gekreuzigt werden oder ihnen die Hände und Füsse überkreuz abgeschnitten werden oder sie aus dem Land verjagt werden.« (5:33)

Eben noch die Gleichsetzung des Tötungsopfers mit der ganzen Menschheit; und sofort danach dieses: Metzelei, Kreuzigung, kreuzweises Abhacken von Händen und Füssen oder, gnädigerweise, Vertreibung. Die Regeln der Humanität gelten nur für die Gläubigen. [Sure 4:92!] Für die Ungläubigen hingegen gilt Folgendes:

»Verflucht sind sie! Wo immer man auf sie stösst, sollen sie sie ergriffen und mit gewaltiger Metzelei gemet­zelt werden.« (33:61)“.

19M.Henning, Der Koran Anm.2 zu Sure 47:4: „Der Vers bezieht sich auf die Schlacht von Badr 624, in der die Anhänger Mohammeds eine mekkanische Karawane besiegten. Nach der Schule der sunnitischen Hana­fiten bezieht sich die Aussage nur auf jene Schlacht. Nach schiitischer Lehre ist sie allgemeingültig, als Ver­pflichtung, in der Schlacht in die Hände fallende Feinde zu töten.

20A.-H.Ourghi: Der Preis des Verdrängens. http://www.sueddeutsche.de/politik/religion-und-ge­walt-der-is­lam-braucht-eine-kritikfaehige-renaissance-1.2309352 vom 20.1.2015.

21H.Albayrak: Von Zwang steht da nirgends etwas. FAZ Nr.41 v.18.2.2015, S.9. H.Albayrak leitet das In­stitut für Koranexegese der Islamisch-Theologischen Fakultät der Universität Ankara und ist Mitherausgeber des „Lexikons des Dialogs. Grundbegriffe aus Christentum und Islam“ (Herder, 2013).

22H.Albayrak: Von Zwang steht da nirgends etwas, S.9.

23Näheres bei Helmut Anselm: Islam in der Schule, Claudius München 2007, S.81

24M.Henning, Der Koran, zu Sure 2:106 Anm.25: „Nach den Muslimen sollen 225 Koranverse durch späte­re abrogiert sein.“

25Wikipedia: Art. Abrogation. Ebd.: „Hierbei war es bedeutsam, dass in dem letztgenannten Koranvers der Begriff, der auf Arabisch für Abrogation verwendet wird, nämlich nasch, als Verbform nansach (»wir tilgen/ abrogieren.«) explizit vorkommt.

26Sure 8:61: „Sind sie [die Ungläubigen] aber zum Frieden geneigt, so sei auch du ihm geneigt“. 29:46: „Und streitet nicht mit dem Volk der Schrift, es sei denn in bester Weise“.

27Wikipedia, Abrogation.

28Näheres in Wikipadia, Abrogation.

29Wenige Beispiele unter vielen: „Die Angst darf uns nicht lähmen“. Christ & Welt Nr.15 v. 9.4.2015, S.4f., S.4: 1998 „jagte Al-Kaida die US-Botschaft in Nairobi in die Luft. Mehr als 200 Menschen kamen ums Le­ben.“ 2013 töteten Al-Shabaab-Kämpfer in einer Shoppingmall im Zentrum Nairobis 67 Menschen. „Im No­vember 2014 überfielen die Islamisten im Nordosten [Kenias] einen Bus. Die Reisenden wurden gezwungen, aus dem Koran vorzulesen. Wer kein Muslim war, wurde hingerichtet. 28 Menschen starben damals.“ Im April 2015 starben durch Al-Shabaab „148 christliche Studenten bei einem Massaker in der Universität in Garissa im Nordosten Kenias“.

30Zitat ohne Quellenangabe bei Sascha Feuchert: Weltbürger gegen Gottesstaat. FAZ Nr.79 v.4.4.2015, S.11.

31Mission in der Welt des Islam. Mitteilungsblatt der Evangelischen Karmelmission. Heft 1/15, S.23: „Im Sudan ist die Mission eine Straftat und auf den Abfall vom Islam steht die Todesstrafe.“

32Unter sinnwidriger Berufung auf Lk 14,23 im Kampf gegen die Donatisten, die im 4.Jhdt. in Nordafrika eine eigene ‚heilige‘ Kirche gründeten und der Großkirche die Heiligkeit und die Gültigkeit der Sakraments­verwaltung absprachen, wobei der kaiserliche Kommissar auf der Disputation in Karthago 411der Großkirche zum Sieg verhalf. (Karl Heussi: Kompendium der Kirchengeschichte 10.Aufl.Mohr Tübingen 1949, §25, f-k).

33Im Kontext der Konquistadoren, hierzu: wikipedia.org/wiki/Konquistador: „Man schätzt die Zahl der In­dios, die in Neuspanien zwischen 1500 und 1600 direkt durch die Konquistadoren oder indirekt durch Hun­gersnöte oder aus Europa eingeschleppte Krankheiten wie die Pocken ihr Leben verloren, auf ca. 15 Millio­nen. Genaue Angaben darüber sind nicht möglich … So wurden ganze Völker oft innerhalb weniger Wochen ihrer kulturellen Identität und ihres Zusammenhalts beraubt. Das machte sie anfällig für den missionarischen Eifer der Konquistadoren.“

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