Es treibt mich um … Anfragen an unsere Konfirmationspraxis

Von | 21. Februar 2014

Helga Müller-Bardorff M.A., Juni 2015

Als Großmutter von 12 Enkelkindern ganz unterschiedlichen Alters erlebe ich seit Jahren in den verschiedensten Gemeinden im Großraum München Konfirmationsgottesdienste und die vorhergehenden Vorbereitungszeiten zur Konfirmation mit.

Meine Eindrücke und Erfahrungen – auch im Gespräch mit den Eltern der Konfirmanden – beunruhigen mich …. 

Aus jahrelanger eigener Unterrichtserfahrung und Mitarbeit in der Gemeinde weiß ich, wie wenig selbstverständlich es ist, Jugendliche für religiöse Fragen und für eine Beschäftigung mit religiösen Inhalten zu gewinnen. Deshalb erliege ich nicht der Gefahr einer idealisierten Erinnerung an frühere Konfirmationsrituale, bzw. von unrealistischen Vergleichen.

Meine Bedenken, meine Beunruhigung speisen sich aus den Fragen:

● Was nehmen die Jugendlichen heute aus ihrer Konfirmandenzeit für ihr Leben mit?

Wie erleben sie ihre Konfirmations-Gottesdienste ?

Welches Wissen – als vollwertige Mitglieder ihrer Kirche – haben sie bezüglich ihres

Glaubens und seiner Grundlagen, sowie einer christlichen Gemeinde erworben?

nnen sie das erworbene Wissen in der religiösen und kulturellen Vielfalt unserer Gesellschaft artikulieren und vertreten?

Motiviert sie die erlebte Konfirmandenzeit, sich in ihrer Gemeinde zu engagieren?

Wird durch das Erlebnis des Konfirmandenunterrichts, der Gemeinschaft in der Gruppe und der erlebten Gottesdienste – ein Impuls, ein Anfang zu religiösem Fragen und eine christliche Wertorientierung grundgelegt?

Fairerweise möchte ich eine positive Wahrnehmung in den erlebten Konfirmandengruppen an den Anfang meiner Beobachtungen stellen: Es wird viel für das Gemeinschaftserlebnis getan: Freizeitwochenenden mit Ausflügen, gemeinsame Essen, Filmnachmittage, Basteln, Spielen, Angebote für Elterngespräche, Zusammenkünfte mit Mentoren (einige meist aus dem Kreis der Vorjahres-Konfirmanden).

Wird davon von den Konfirmanden, auch während des Gottesdienstes erzählt, heißt es: „Das war eine coole Zeit, wir hatten viel Spaß miteinander, erinnert euch an dieses und jenes tolle Ereignis, was dieser und jener gemacht hat, etc. …“

Auf einer Zeichnung, – offensichtlich aus einer Konfirmandenfreizeit, die als Schmuck in der Kirche hing, stand: „Das war ein supergeiler Karfreitag“….

Bei allem Einverständnis mit der positiven Bedeutung von Gemeinschaftserlebnissen in der Konfirmandenzeit: Sind das die wesentlichen, eindrücklichen Erinnerungen?

Es mangelt nicht an Bemühen, dem Geschmack von Jugendlichen entgegenzukommen, ihre Umgangssprache, ihre Musikvorlieben, ihre Umtriebigkeit, ihren Umgangsstil aufzunehmen, zumindest einzubeziehen.

Aber ist ein solches Angebot wirklich das, was unsere Jugendlichen in diesen spezifischen Monaten der Konfirmandenzeit von ihrer Gemeinde und Kirche erwarten dürfen und vor allem in ihrer Zukunft brauchen? Und: Ist es wirklich attraktiv, den Konfirmandenunterricht lediglich auf die Lebenswirklichkeit hin abzustellen, die die Jugendlichen ohnehin täglich erleben? Sollte man nicht zusammen mit ihnen versuchen, alternative Formen zu entwickeln?

Bis auf wenige Ausnahmen mutet der „festliche“ Gottesdienst zum Abschluss der Konfirmandenzeit – scheinbar nach einem allgemeinen Muster – wie eine jugendgemäße Gemeindeveranstaltung an: Show-Effekte mit Bildmaterial, Verkleidung, Sketche, Auftreten einer Band, Songs mit Verstärker, witzige Bemerkungen für die Gottes-dienstbesucher, Ein- und Auszug der Konfirmanden mit Tango-Musik, etc. … – wie oben bereits gesagt – mit rührendem Engagement, etwas „zu bieten“.

Doch stellt sich leider allzu oft der Eindruck einer Banalisierung und Verharmlosung ein!

Kaum jemand noch wagt einen Konfirmationsgottesdienst nach der Evang.-Luth. Agende, eine Abendmahlsfeier mit der ganzen Liturgie, das Singen einiger traditioneller Choräle, mit feierlicher Orgel- und/oder Chormusik, was ja nicht ausschließt, dass auch eine gute Band musiziert. Trauen wir unseren Jugendlichen nicht mehr die Erfahrung des Ernsthaften, Berührenden, des feierlich Herausgehobenen – des “Heiligen“ zu??

Ich frage:

Wie verstehen sich heute Konfirmandenunterricht, Konfirmationszeit und -gottesdienst aus ihrem Selbstverständnis und ihren je eigenen Zielen und Inhalten heraus ?

Wie definieren und verstehen unsere Pfarrer, unsere Gemeinden, die dafür verantwortlich sind, diese Aufgaben?

Bestimmte Themen werden im Konfirmandenunterricht angesprochen, auch Arbeitshefte gibt es dazu. Ich hoffe, sie gehen mehr in die Tiefe, als das, was mir ein Enkel erzählte: „… so über das Leben, die Familie, Freunde, die Ferien und unsere Haustiere. …-“.

Der verbindliche angepeilte Wissensstoff des Konfirmandenunterrichtes beschränkt sich, unabhängig von Ort und Gemeinde, auf den der 4.Klasse des Religionsunterrichtes an bayerischen Grundschulen, nämlich: Vaterunser, Glaubensbekenntnis, 23.Psalm, vielleicht noch die 10 Gebote, wobei dies nicht immer sicher beherrscht wird. Die Konfirmanden singen und lernen kaum Choräle unseres Gesangbuches. Man muss es einmal erleben, wie im Gottesdienst von dreißig Konfirmanden vielleicht zwei mitsingen, während der Rest – bestenfalls! – im Gesangbuch blättert. Vertraut sind ihnen höchstens einige modernere Lieder. Auswendig können sie aber diese meist auch nicht. Immer wieder ist es ein erstaunliches, aber auch betrübliches Erlebnis, wenn einmal in einem Konfirmationsgottesdienst erfreulicherweise ein Choral, wie: „.Lobe den Herren“, „Befiehl du deine Wege“, „Die güldene Sonne“ etc. … angestimmt wird, und die Eltern, vor allem Großeltern dankbar und oft auswendig mitsingen, während die Konfirmanden kaum den Mund aufmachen, weil sie diese tröstlichen, eingängigen Lieder nicht mehr kennen und lernen und nicht einmal in ihrem eigenen Konfirmationsgottesdienst ein paar Verse davon mitsingen können, – was fehlt ihnen da für ihr ganzes Leben!

Sie kennen den Katechismus nicht mehr, Gesangbuch und Bibel spielen höchstens sporadisch eine Rolle im Konfirmandenunterricht. Was die Konfirmanden an biblischen Geschichten kennen, stammt – bis auf wenige Ausnahmen – aus dem Religionsunterricht der Grundschule und vielleicht noch der Sekundarstufe I. Ich habe auch erlebt, dass ein Pfarrer den Konfirmanden sagte: „Bibel brauchen wir keine, das ist ein Thema, das sowieso im Lehrplan des Religionsunterrichts vorkommt …“. Ebenso kennen sich die meisten Konfirmanden nicht oder kaum in der Gottesdienstordnung oder Abendmahlsliturgie aus. Ich habe es mir zur Regel gemacht, dass sich meine Enkel/Innen vor der Konfirmation eine Bibel oder ein Gesangbuch aussuchen, und wir dann zusammen darin blättern, fragen und suchen, versuchen uns zu orientieren …

Die Konfirmanden sollen während ihrer Konfirmandenzeit eine bestimmte Anzahl von Gottesdiensten besuchen und in vielen Gemeinden ein soziales Engagement absolvieren, das sind sinnvolle Forderungen! Doch werden sie auch konsequent durchgehalten? Natürlich werden alle Teilnehmer am Konfirmandenunterricht konfirmiert, ob sie nun ihren Gottesdienstbesuch-Nachweis haben oder nicht. Man will ja auch die Eltern und Familien nicht enttäuschen!

Ich fürchte:

Wir trauen unseren Jugendlichen nicht mehr zu, sich darauf einlassen zu können:

● dass die Konfirmation und die Konfirmandenzeit etwas Besonderes und Herausgehobenes sind, die innere Teilnahme und Interesse verlangen,

dass sie eine intensive Zeit des gemeinsamen Nachdenkens, Hörens, Fragens, Lernens, Feierns bilden, zusätzlich zu den üblichen Alltagsanforderungen in Schule und Familie,

dass sie eine Zeit darstellen, in der – möglichst in kleinen Gruppen – die Schätze christlicher Glaubensinhalte, Gemeindeleben und Rituale, Lebensfragen und Wert- orientierung im Mittelpunkt stehen und vertraut werden, – vertraut werden, ja auch durch Lernen und Kenntnisse!

Billiger geht es nicht, wenn wir nicht „christliche Analphabeten“ in unserer Kirche haben

wollen, die zwar nette Kumpels sind, aber nicht so recht wissen, warum sie Christen sind und warum sich zu dieser christlichen Gemeinde bekennen.

Ich denke, wir können nicht verantworten, darauf zu verzichten, unseren Kindern ein „christliches Handgepäck“ fürs Leben mitzugeben. Und dazu gehören:

das Vertrautsein mit Bibel und Gesangbuch,

● das aktive Teilnehmen an den Ritualen der Gottesdienste,

● einige Kenntnisse aus der Glaubensgeschichte,

● das Aneignen religionspädagogisch sinnvoll ausgewählter Choräle, einiger Psalm- abschnitte und Texte aus dem Neuen Testament.

Wenn nicht im Konfirmandenunterricht, wann und wo sollte das sonst geschehen ?

Es ist eine Frage des pädagogischen Geschicks, wie man je nach intellektueller Möglichkeit und Sprachfähigkeit differenziert und sensibel mit den einzelnen Konfirmanden in der Frage des Lernens umgeht.

Übrigens gehört auch diese Erfahrung zur aktuellen Praxis des Konfirmandenunterrichts:

Es gibt junge Leute, die von dem geringen Anspruchsniveau enttäuscht und gelangweilt sind, gerne mehr lernen und wissen möchten und sich eine ernsthaftere Konfirmandenzeit wünschten.

Mit einer tröstlichen Beobachtung möchte ich schließen:

Die persönliche Segnung der Konfirmanden mit Nennung ihres ausgewählten Konfirmationsspruches ist noch immer ein andächtiger, von Stille und Aufmerksamkeit der Gemeinde begleiteter Augenblick. Gott sei Dank!

Meine Bitte zum Schluss:

Nach jahrelangen vergleichbar deprimierenden Erfahrungen würde ich gerne in unserer Kirche in dieser wichtigen religionspädagogischen Aufgabe, kirchlicher wie gesellschaftlicher Relevanz eine neue Diskussion um mehr Inhalte und andere Formen anregen.

Helga Müller-Bardorff, Rektorin a.D., Magister der evangelischen Religionslehre, Theologie und Grundschuldidaktik, mit jahrzehntelanger Erfahrung in der Schulpraxis, tätig gewesen in der Lehrerfortbildung, in Kirche, Schule und Universität, sowie in der pädagogischen und religionspädagogischen Verbandsarbeit. H.Müller-Bardorff ist Autorin von pädagogischen Büchern und Veröffentlichungen in Fachzeitschriften. Derzeit engagiert sie sich in der ehrenamtlichen Mitarbeit in ihrer Gemeinde und als Mitglied des Arbeitskreises E.I.B.E.

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